Vortrag von Dr. Dietrich Raue (Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Kairo) am 27.06.2007

Von Zentren und Grenzen - Siedlungsstrukturen in Heliopolis und auf Elephantine

Abstract: In der Ägyptologie wird gerne der Terminus „Reichstempel” für die großen Landesheiligtümer in Theben, Memphis und Heliopolis verwandt. Aber was macht diese Orte zu „Reichstempeln”? Ist es nur die schiere Größe? Die kürzlich in Heliopolis durchgeführten Ausgrabungen sowie Beobachtungen in den Grabungen auf Elephantine scheinen weitere Argumente zu liefern, deutliche Unterschiede zwischen Tempelstädten und Stadttempeln im Ursprung wie in ihrem Ende festzustellen. Am Beispiel von Heliopolis soll illustriert werden, wie das „Ende” eines Heiligtums in einer gleichsam lautlosen Implosion vor sich gehen kann, nachdem es fast 2000 Jahre lang der Schauplatz einer in Stein monumentalisierten Religiosität war. Es geht hierbei um die Auswirkung der oft zunächst lautlosen Verschiebungen der Grundlagen einer Kultur auf die Bedeutung eines heiligen Ortes und um die für weitere Jahrhunderte gültige Verlegung dieser Bedeutung in die Welt religiöser Abstraktion im kulturellen Gedächtnis einer Gesellschaft. Das Ziel sind die Erfassung und die Interpretation der lautlosen Verschiebungen vor ihren ereignisgeschichtlichen Endergebnissen.