Vortrag von Prof. Dr. Dieter Kessler (LMU München) am 16.06.2010

Tuna el-Gebel - Der Tierfriedhof und sein Umfeld

Abstract: Ein Tierfriedhof ist seit der Zeit nach Alexander dem Großen in jedem größeren ägyptischen Friedhofsareal nachzuweisen. Er war Teil einer im ganzen Lande durch den Staat vereinheitlichten Kultlandschaft mit ihren regelmäßigen Festprozessionen zwischen Metropole (hier Hermopolis Magna) und Friedhofsbereich (hier Tuna el-Gebel mit Tempeln des Urgottes Thot und des Osiris). An die jährlichen Vorgänge der Verjüngung und Wiederauferstehung im jeweiligen Osireion war der „Ruheplatz der Götter”, d.h. der ägyptische Tierfriedhof mit seinen Millionen von Tiermumien-Göttern, angeschlossen. Neuere Grabungen in Versorgungsbauten außerhalb des Tierfriedhofs zeigen, dass hinter der Erweiterung der Tierfriedhöfe ein enormer ökonomischer Nutzen für den Staat stand. Er hat viele neue Kultstellen (mit neuen Göttern!) als eigene Priesterstellen eingerichtet und verkauft. Die Inhaber der Posten standen unter der Kontrolle der großen überregionalen staatlichen Institutionen (in Tuna die des Gottes Lebender-Ibis). Dazu gehört auch die deutliche Erweiterung der Zahl der Aufzuchtplätze heiliger Tiere. Von ihnen gelangten alle dort aufgelesenen Überreste heiliger Tiere nach ihrer Vergottung auf direktem Wege in die Tierfriedhöfe. Große Bevölkerungsgruppen waren als „zahlende Mitglieder” der jeweiligen Gemeinschaften für den Unterhalt der Kultstellen eingeschrieben und verpflichtet.