Vortrag von Prof. Dr. Harco Willems (Katholische Universität Leuven) am 07. Mai 2013

Tempelverwaltung und Vetternwirtschaft in der 5. Dynastie

Abstract: Etwa 2 km südlich von Tihna al-Jabal/Akoris in Mittelägypten befindet sich eine Gruppe von Felsgräbern bzw. Mastabas, die Anfang des 20. Jahrhunderts von George Willoughby Fraser kurz dokumentiert wurden. Vor allem die Texte in den beiden Gräbern des Nikaanch haben einiges Interesse auf sich gezogen. Aber weil die Gräber bis heute unveröffentlicht sind, und Sethe die Inschriften in Urkunden I in einer völlig anderen Reihenfolge publiziert hat als sie tatsächlich über die Grabwände verteilt sind, ist ihre Interpretation sehr schwierig. Tatsächlich haben die meisten Bearbeiter sich nur auf einen Text konzentriert und dadurch den Gesamtzusammenhang völlig missverstanden.

Beide Gräber sind mit Verfügungen beschriftet, die sich auf die Vermögensverhältnisse in Nikaanchs Familie beziehen. Als Nikaanch sein erstes Grab - vermutlich sehr früh in der 5. Dynastie - erbaute, war er nur Priester am lokalen Hathortempel in Ra-inet. Nach seiner Ernennung zum Priestervorsteher am selben Tempel ordnete er ein zweites und üppiger dekoriertes Grab an. Es lässt sich zeigen, dass die Texte im älteren Grab nur seinen persönlichen Besitz betreffen und insbesondere, wie er diesen nach seinem Tode unter einigen seiner Söhne zu verteilen gedenkt. Im späteren Grab finden sich dann neue Verfügungen, denen zufolge der Familienbesitz nach anderen Kriterien verteilt wird. Hier ist augenfällig, dass die Grenzen zwischen Familienbesitz und Tempeleigentum arg verschwommen geraten. Diese Texte bieten so einen einmaligen Einblick in eine Form institutioneller Verwaltung, die nach modernen europäischen Ansichten schlicht korrupt anmutet.