Amenophis III. ließ sich um 1400 v. Chr. einen gewaltigen und prächtigen Tempel von seinem Baumeister Amenophis-Sohn-des-Hapu bauen; ein Millionenjahrhaus für die Ewigkeit. Doch schon circa 150 Jahre nach der Erbauung wurde die riesige Tempelanlage, die Größte seiner Zeit, durch ein Erdbeben schwer beschädigt und durch die Nilüberschwemmungen und Steinraub weiter zerstört. Geblieben sind die beiden riesigen Memnonkolosse, die ursprünglich vor dem 1. Pylon der Tempelanlage thronten und mittlerweile Sinnbilder des alten Ägyptens sind, wie der Sphinx und die Pyramiden.
Seit 1998 widmet sich ein Grabungsprojekt unter der Schirmherrschaft des DAI Kairo und des ägyptischen „Ministry of Tourism and Antiquities“ der Ausgrabung und Restaurierung dieser großartigen Tempelanlage.
Das Colossi of Memnon and Amenhotep III Temple Conservation Project begann mit der Untersuchung der monumentalen Memnonkolosse auf Stabilität. Es bestand zwar keine Einsturzgefahr, jedoch eine sichtbare Bedrohung der gewaltigen Skulpturen durch Umweltverschmutzung, Grundwasser, Vegetation und den Verkehr.
Über die Restaurierung der Kolosse, die weiteren Ausgrabungen und Entdeckungen in der Tempelanlage berichtete die langjährige Projektleiterin Dr. Hourig Sourouzian im zweiten Vortrag des Sommersemester 2025 und beschrieb anschaulich die herausfordernden „Arbeiten im ‚Tempel für Millionen Jahre‘ des Königs Amenhotep III. in Theben seit 1998“.
Nach Reinigung und Restaurierung der Memnonkolosse erfolgte eine Dokumentation der weiteren Denkmäler auf dem Gelände. Nur etwa 100 m von den Kolossen entfernt, dort, wo man den 2. Pylon der Anlage vermutete, fiel ein formlos wirkender Quarzitblock auf. Es war das Fragment einer sitzenden Kolossalstatue des Königs; kaum kleiner als die Memnonkolosse selbst. Der riesige, 450 t schwere Torso wurde durch spezielle Luftkissen angehoben und barg eine Überraschung: An seiner rechten unteren Seite befand sich eine intakte Statue der Großen Königlichen Gemahlin Teje.
Während es zu dieser Kolossalstatue von früheren Forschungen Hinweise gegeben hatte, war der nächste Fund völlig unerwartet: Es fand sich im Erdreich eine weitere sitzende Kolossalstatue aus Quarzit, die leider stark zerstört war, jedoch ebenfalls an der rechten Thronseite eine intakte Statue der Großen Königlichen Gemahlin aufwies. Dadurch wurde deutlich, dass auch vor dem 2. Pylon zwei monumentale Sitzstatuen gestanden hatten.
Es wurde eine Skizze der Tempelanlage erstellt; zunächst gezeichnet, später digital umgesetzt. Das Millionenjahrhaus Amenophis’ III. hatte eine Größe von 700 × 550 m, bestand aus mehreren Pylonen, einem Prozessionsweg/Rampe, einem Peristyl, Sanktuaren und einer Scheintür an seinem westlichen Ende.
Die gesamte Anlage wurde in der Regierungszeit von Amenophis III. gebaut, d.h. in nur 38 Jahren. „Das ist fantastisch“, sagte die Referentin, denn der Tempel von Karnak zum Beispiel hatte eine wesentlich längere Bauzeit.
Die Ausgrabungsarbeiten hatten mit großen Widrigkeiten zu kämpfen, da das Terrain vor jeder Grabungssaison gesäubert werden musste. Hunderte von Arbeitern entfernten das dichte und hohe Schilfgras und Kameldorn. Das Grundwasser stand hoch und gefährdete die archäologischen Strukturen und Statuen. Eine sitzende Vierergruppe des Königs mit den Göttern Amun, Sachmet und Amaunet stand mit den Füßen im Wasser unter einem Busch. Die Skulpturen wurden gleich zu Beginn der Kampagne ins Trockene geholt und sofort entsalzt. „Im Jahr 2024 wurde die restaurierte Skulpturengruppe dann an ihren Platz am 2. Pylon zurückgebracht“, berichtete Dr. Sourouzian.
Es konnte schließlich ein ausgeklügeltes Pumpsystem entwickelt werden, welches das Grundwasser bis heute zuverlässig um 2–3 Meter senkt. Dies erlaubte auch tiefer liegende Strukturen und Statuen zu entdecken. In fast 3 m Tiefe konnte man erstmals die Fundamente der Außenmauern des Tempels erreichen. In den Fundamentgruben lagen zahlreiche Statuen der Göttin Sachmet, die einst insbesondere im großen Peristyl aufgestellt waren.
Vor dem 3. Pylon des Tempels standen ebenfalls zwei Sitzstatuen des Königs, die jedoch nicht aus Quarzit gefertigt waren, sondern aus einem ganz anderen Material: aus Alabaster! Hinweise darauf fanden sich schon auf großen Quarzitblöcken im Tempel von Karnak, auf denen Hieroglyphen mitteilten, dass „Seine Majestät große Denkmäler aus reinem Alabaster“ geschaffen habe. Allerdings waren die eingestürzten Alabaster-Statuen stark fragmentiert. Die Zusammensetzung der gefundenen Stücke wurde durch eine 3D-Animation erleichtert. Ein Ziel der nächsten Grabungssaison ist es, die Statuen vor Ort mit Hilfe von Stützsäulen weiter aufzubauen, berichtete Dr. Sourouzian.
Die drei Pylone der Tempelanlage waren aus Ziegelstein gefertigt. In der Fassade des nördlichen Pylons waren zwei Nischen für Fahnenmasten ausgespart und vor jedem Pylonen war ein Paar monumentaler Sitzstatuen des Königs aufgestellt.
Dem 3. Pylon schließt sich das Peristyl an, welches man über eine Rampe erreichte. Der offene Hof war mit Sandsteinen gepflastert und von riesigen Säulen umgeben. Zwischen jeder Säule standen ca. 8,5 m hohe Standstatuen von Amenophis III. Die in der südlichen Hälfte des Peristyls stehenden Statuen waren aus Rosengranit eines Steinbruchs im südlichen Assuan gefertigt, und der König trägt die Krone Oberägyptens. Die Nordstatuen tragen die Krone Unterägyptens und bestehen aus Quarzit aus dem Norden.
Im Peristyl deutet ein Relief darauf hin, dass der Hof dazu diente, das Sedfest des Königs zur Erneuerung seiner königlichen Macht und Stärke zu feiern.
Eines der Reliefs dort zeigt ausgemeißelte Schriftzüge: „Diese Arbeiter von Echnaton waren wohl Analphabeten, so dass sie die Hieroglyphen für das Wort Amun-Re stehen ließen und benachbarte Hieroglyphen sauber ausmeißelten“, schmunzelte Dr. Sourouzian.
Nach dem Peristyl gelangte man durch ein Hypostyl in die heiligsten Bereiche des Tempels, in das Sanktuar des Königs, in dem die Opfergaben abgelegt wurde. Am östlichen Ende gab es eine Scheintür für den Ka des verstorbenen Königs, um in die Welt der Lebenden zu treten und die Opfergaben zu empfangen.
Die Hauptachse der Tempelanlage mit den Memnonkolossen, den Pylonen, dem Peristyl und den heiligen Bezirken verläuft von Ost nach West. Beidseits dieser Tempelflucht befanden sich weitere Gebäude, die jedoch heute auf privatem Gelände stehen und für eine Ausgrabung nicht zugänglich sind. Am Nordtor der Anlage standen ursprünglich zwei mächtige schreitende Statuen von Amenophis III. Im Jahr 2014 gelang es, diese Statuen wieder aufzustellen. Mit einem riesigen Kran wurde eine der Statuen einen Tag und die ganze Nacht hindurch aufgebaut, ausbalanciert und gefestigt (Link zum Film). Nicht nur hier wird deutlich, welche Herausforderungen die Projektteilnehmer – aber auch die antiken Erbauer – zu leisten hatten.
Im Verlauf der bald drei Jahrzehnte andauernden Grabungen konnten nicht nur die bisher beschriebenen archäologischen Bauten und Strukturen sowie Kolossalstatuen des Königs entdeckt werden. Auch viele Statuen von tiergestaltigen Göttern sowie Sphingen konnten sichergestellt werden. Die Sphingen hatten einen Löwenkörper, einen Krokodilschwanz und trugen den Kopf des Königs. Die Löwengöttin Sachmet mit ihren roten Augen wurde in großer Zahl gefunden sowie ein falkenköpfiger Gott. „Hierbei handelt es sich nicht um Horus“, machte Dr. Sourouzian klar. Der Gott konnte noch nicht eindeutig identifiziert werden, jedoch sind drei weitere Exemplare bekannt: Eine sehr ähnliche Statue steht im Ägyptischen Museum in München (SMAEK), eine in Gurna, und eine Statue stammt aus Tanis.
Besonders schön ist der Fund eines weißen Nilpferds aus Alabaster, nach dem gezielt gesucht wurde. Ein Team von Forschern hatte bereits vor 30 Jahren die Statue der Göttin Taweret im anstehenden Grundwasser ertastet, jedoch nicht gehoben. Die erneute Suche war nicht ganz einfach, da eine Palme über den Fundort gewachsen war. Das fast lebensgroße Nilpferd stand in einer Grube, und neben ihr lehnten zwei Sachmet-Statuen. „Die Nilpferdin war in bemerkenswert gutem Zustand“, und Dr. Sourouzian hofft, noch den Kopf der Nilpferd-Dame zu finden.
Viele der Funde stehen auf dem Gelände, jedoch mussten einige sehr zerbrechliche Statuen an das Luxor Museum übergeben werden. Der Wunsch von Dr. Sourouzian ist es, dass das bereits vollständig ausgegrabene Peristyl der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Wie in einem Freilichtmuseum könnten die Menschen auf vorgegebenen Wegen durch das Gelände gehen. Eine beeindruckende Animation wurde dazu erstellt. Die Zusagen zur Finanzierung stehen hier noch aus.
Mitglieder des Freundeskreises können sich auf weitere spannende Informationen zum Millionenjahrhaus freuen, da seit Kurzem auch die JGU Mainz mit Univ.-Prof. Dr. Kathrin Gabler in das DAI-Projekt eingestiegen ist. Wir werden berichten!
[Bericht: Annette Tormin]