Podcast Folge 2: Zu Gast bei Ulrike Jungnickel

Zu Gast bei Ulrike Jungnickel in Boppard (Foto: C. Vogel)

 

In Folge 2 des Jubiläums-Podcast besucht Dr. Carola Vogel (CV) unser langjähriges Mitglied Ulrike Jungnickel M. A. (UJ) in Boppard und spricht mit ihr über ihren Werdegang und die Mainzer Ägyptologische Studiensammlung.

© Freundeskreis Ägyptologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz e. V.

Einführung und Begrüßung:

CV: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, 2021 jährt sich die Gründung des Freundes­kreises Ägyptologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zum 20. Mal; für uns als Vorstand ein willkommener Anlass, auf die Geschichte des Vereins zurück­zublicken. In loser Reihenfolge stellen wir Ihnen in unserem Jubiläumsjahr Men­schen vor, die den Weg des Vereins begleitet und zu seinem Erfolg beigetragen haben. Nachdem wir Ihnen in unserer ersten Folge die langjährige Erste Vorsit­zende des Freundeskreises, Marianne Arnold, vorgestellt haben, führt mich mein Weg heute ins schöne Boppard am Rhein. Hier wohnt unser Mitglied Ulrike Jung­nickel. Ihr ist es zu verdanken, dass die Mainzer Ägyptologie seit dem Jahr 2008 eine eigene, stetig wachsende Studiensammlung an Repliken besitzt. Wie es zu dieser großzügigen Förderung kam und was Ulrike Jungnickel mit der Mainzer Ägyptologie verbindet, möchte ich in unserem heutigen Gespräch herausfinden. Mein Name ist Carola Vogel, ich bin die Erste Vorsitzende des Freundeskreises und freue mich auf das Interview.

Interview:

CV: Liebe Ulrike: Boppard und das Alte Ägypten – gibt es hier irgendeine Verbin­dung? Oder, konkreter gefragt, wie kamst Du auf das Alte Ägypten?

UJ: Na, daran ist eigentlich mein Mann schuld! Als Selbständige hatte ich überhaupt keine Freizeit, und als meine Firma dann ganz gut lief, meinte mein Mann, abends um 18 Uhr ist Schluss. Er hat mir dann einige Romane über das Alte Ägypten gekauft, und die habe ich verschlungen. Aber es gibt auch etwas Geschäftliches, was mich mit Ägypten verbindet. Ich hab’ einen Versandhandel für Tänzer*innen und es gibt in Deutschland sehr viele Frauen, die orientalischen Tanz betreiben. Ich bin also nach Kairo gereist, um einen Händler für diese spezielle Bekleidung zu finden, was mir auch gelun­gen ist.

CV: Die Begeisterung für die pharaonische Kultur, die Du vielleicht schon in Kairo kennengelernt hast, ist das eine, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihr, das andere. Wann wusstest Du, dass Du neben einer erfolgreichen Berufstätigkeit ein zwar faszinierendes, doch auch sehr arbeitsintensives Studium der Ägyptologie aufnehmen wolltest?

UJ: Nun, da muss ich etwas ausholen, denn das hatte ich gar nicht vor. Durch die Romane, die ich gelesen habe, wollte ich eigentlich nur wissen, was ist ausgedacht und wie war es wirklich. Ich hab’ mir also viele Bücher gekauft, um das nachzuprüfen. Und dann kam der Punkt, dass ich auch lesen können wollte, was auf den Reliefs steht. Ich hab’ also allein zuhause versucht, die Hieroglyphen zu lernen und kam dann irgendwann nicht weiter. Also hab’ ich mich informiert, wo ich mehr erfahren könnte und hab’ mich schließlich als Gast bei der Uni Mainz angemeldet. An ein richtiges Studium hab’ ich gar nicht gedacht. Studieren 50plus gab es, glaub’ ich, damals noch nicht, sonst hätte ich wahrscheinlich das gemacht. Und als Gast durfte ich damals ei­gentlich nach dem ersten Mittelägyptischkurs gar nicht weitermachen. Heute wird das, glaube ich, nicht mehr so eng gesehen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu immatrikulieren, und auch zu diesem Zeitpunkt hab’ ich nicht an einen Abschluss gedacht. Ich hab’ einfach immer weiterge­macht und es hat sich dann entwickelt.

CV: Also ich fasse mal zusammen, Du wurdest regelrecht zum Studium gezwun­gen und hast dann auch noch Dein Magisterstudium 2013 erfolgreich abgeschlos­sen. Und, nicht genug, jetzt promovierst Du sogar. Kannst Du uns etwas über das Thema Deiner Dissertation, „Die sogenannte Südpflanze“ und Deine Herangehens­weise erzählen?

UJ: Das hat mit meiner ersten Reise nach Ägypten zu tun. Als wir vor dem Ägyptischen Museum in Kairo standen, erklärte der Reiseleiter, dass im Was­serbecken vor uns die beiden Wappenpflanzen Ägyptens zu sehen seien, Lo­tos und Papyrus. Daran haben mich sofort zwei Dinge gestört: Erstens habe ich eine Seerose und keinen Lotos gesehen und zweitens fand ich es ko­misch, dass eine Wasserpflanze für den Süden des Landes stehen sollte, egal ob Seerose oder Lotos, das ist doch eben ein ziemlich trockenes Gebiet. Als ich dann nach einem Thema für meine Magisterarbeit gesucht habe, ist mir das wieder eingefallen. Für die Magisterarbeit musste ich mich auf einen kleinen Bereich beschränken und konnte nicht ins Detail gehen. Das kann ich aber jetzt in meiner Dissertation. Ich war allerdings nicht auf den Arbeits­aufwand gefasst. Da es nicht viel Literatur über die Südpflanze gibt, musste ich erst mal viel Grundlagenarbeit machen, also Belege, Abbildungen su­chen usw. Aber auf den vorhandenen Fotos ist die Südpflanze in der Regel sehr klein abgebildet, ich brauch’ aber gerade die Details. Also bin ich durch die halbe Welt gereist, um eigene Fotos zu schießen. Und von allen Auf­nahmen mache ich Umzeichnungen und stelle einen chronologischen Ka­talog zusammen. Dann erstelle ich eine Typologie, um die unfassbar vielen unterschiedlichen Darstellungen zu systematisieren.  Und damit versuche ich, die Entwicklung der Darstellungsweise nachzuvollziehen. Das könnte für Datierungen von neuen Funden hilfreich sein. Am Schluss will ich dann eine eigene Hypothese zur Identität der Pflanze aufstellen.

CV: Lass uns über Deine Beziehung zum Freundeskreis sprechen. Wie und wann kamst Du mit ihm in Berührung und wie entstand schließlich 2008 die Idee, dem Verein zweckgebundene Spenden zum Aufbau einer Studiensammlung aus Rep­liken zuzuführen?

UJ: Na, daran ist diesmal Frau Arnold schuld! Sie hat mich schon im ersten Semester angesprochen, ich glaub’, das war 2004 oder 2005, und dann war ich sofort dabei. Meine Spenden haben in erster Linie mit Dankbarkeit zu tun. Ich finde es nicht selbstverständlich, dass ich in meinem Alter noch stu­dieren durfte. Außerdem habe ich vom Institut, besonders von Frau Ver­hoeven und später dann auch von Frau Pommerening, so viel Unterstützung und so viele aufmunternde Worte bekommen, dass ich auch etwas zurück­geben wollte. Das ist nach meiner Erfahrung nicht selbstverständlich. Die Idee mit den Repliken kam dann meines Wissens von Frau Verhoeven. Ich hatte Frau Arnold lediglich gefragt, was man mit meiner Spende am sinn­vollsten machen könne.

CV: Die Studiensammlung besteht aus mittlerweile 44 qualitätvollen, detailge­treuen Gipsabgüssen, die größtenteils aus der berühmten Gipsformerei der Staat­lichen Museen zu Berlin stammen. Begleitest Du die Auswahl der Objekte und hast Du vielleicht sogar ein Lieblingsstück?

UJ: Ich hab’ nur einmal einen Wunsch geäußert. Aber ich überlasse das Frau Zöller-Engelhardt, die das zusammen mit Frau Verhoeven bespricht. Das halte ich für am sinnvollsten. Es sollen ja Objekte in die Sammlung, die für den Unterricht gebraucht werden können. Mein Lieblingsstück ist ein Relief aus dem Grab des Ptahhotep aus dem Alten Reich, mit Darstellungen von Gänsen, Enten und Kranichen. Tierdarstellungen finde ich generell faszinie­rend.

Replikat aus dem Grab des Ptahhotep, Saqqara, Altes Reich, 5. Dynastie (Foto: Monika Gräwe/JGU Mainz)

 

CV: Die Sammlung zeigt Kopien wichtiger ägyptischer Werke und wird von den Studierenden für die Arbeit am Objekt genutzt. Hieroglyphen lassen sich entziffern, ikonografische Details beobachten, chronologische Unterschiede festmachen. Der wertvolle Nutzen von Repliken ist unter Wissenschaftlern unstrittig. Große Teile der Öffentlichkeit glauben aber, dass nur das Original einen echten Eindruck vermit­teln kann. Wie begegnest Du einer solchen Einstellung?

UJ: Einen Eindruck können auch Kopien vermitteln, sonst wäre unsere Sammlung ja unsinnig. Es kommt natürlich darauf an, wie gut die Kopie ge­macht ist. Und um Leute für das Alte Ägypten zu begeistern und ihr Inte­resse zu wecken, können sie einen wichtigen Beitrag leisten.

CV: Um meine letzte Frage noch ein wenig auszubauen: siehst Du eine Chance, dass die „perfekte Kopie“ auch einen Beitrag im Schutz von Kulturgütern leisten kann? Ich denke hier zum Beispiel an die seit Jahren durch die Welt tourende große Ausstellung „Tutanchamun – sein Grab und die Schätze“. Seit 2008 wurde sie von über 6,5 Millionen begeisterten Besuchern gesehen. In ihr werden ca. 1000 de­tailgetreue Repliken des Grabschatzes in ihrem originalen Fundkontext inszeniert. Wird die Kopie das Original langfristig ersetzen?

UJ: Kopien können das Original nicht ersetzen. Es kommt aber auf den Rezi­pienten und auf seine Einstellung an. Ich hab’ die Replikenausstellung nicht gesehen, sondern nur die Originale in Ägypten. Aber ich vermute, hätten die Besucher der Tutanchamun-Ausstellung nicht gewusst, dass es sich um Ko­pien handelt, hätten sie den Unterschied wahrscheinlich nicht gemerkt. Für Forschungen sieht das anders aus, da halte ich das Original für unersetzlich. Aber zum Schutz von Kulturgütern können Kopien einen Beitrag leisten.

CV: Als langjähriges Mitglied des Freundeskreises Ägyptologie, gibt es irgendet­was, was Du Dir von uns als Vorstand wünschst? Welche zusätzlichen Angebote etwa oder Formate könntest Du Dir beispielsweise vorstellen?

UJ: Das ist natürlich ’ne schwierige Frage, denn eigentlich bin ich ja ganz zufrieden, so wie es ist. Aber vielleicht folgende Idee, um Studenten und Mit­glieder des Fördervereins einander näher zu bringen: Vielleicht könnte man einen Tag veranstalten, an dem die Student*innen einen Kurzvortrag halten. Das kann die Bachelorarbeit oder die Masterarbeit sein oder einfach ein Re­ferat aus dem Unterricht. Danach ’ne kurze Diskussion, dazwischen Pausen mit Kaffeetrinken und Gesprächen, um sich näher kennenzulernen. Für Stu­denten könnte das eine wichtige und lehrreiche Erfahrung sein. Vielleicht am Abend dann noch einen professionellen Vortrag – in Anführungszeichen. Vielleicht haben auch Mitglieder des Fördervereins Interesse, einen kleinen Vortrag beizusteuern. Ich weiß zum Beispiel, dass ein Herr aus dem Freun­deskreis schon öfter in Brenkhausen einen Vortrag gehalten hat. Ich weiß nicht, ob diese Idee überhaupt durchführbar ist.

CV: Das ist ’ne tolle Anregung und sicherlich ein Thema, das wir nach der Pandemie aufgreifen können und bringt mich zu meiner letzten Frage. Wie gesagt, wir befin­den uns inmitten der Corona-Pandemie. Das Reisen in ferne Länder ist entweder extrem schwierig oder schlicht nicht möglich. Ist Ägypten das erste Land, das Du gerne wieder bereisen würdest oder steht da vielleicht ein anderes Ziel auf Deiner aktuellen Wunschliste?

UJ: Ägypten wird wahrscheinlich nicht das erste Land sein, das ist erst im Herbst oder Winter, wenn’s nicht mehr so heiß ist, an der Reihe, natürlich verbunden mit der Hoffnung auf die Eröffnung des Grand Museums [Grand Egyptian Museum in Kairo, die Red.]. Aber sobald ich geimpft bin, werde ich wieder auf Reisen gehen und es wird wahrscheinlich eine Naturreise ins Okavango-Delta in Botswana sein.

CV: Da erscheint mir Botswana auch realistischer! Liebe Ulrike, ich danke Dir ganz herzlich für das Gespräch. Ich könnte mir vorstellen, dass es Mitglieder des Freun­deskreises gibt, die nun gerne die Studiensammlung besuchen möchten. Sie steht nicht nur Studierenden, sondern auch Interessierten nach Absprache offen. Das gilt allerdings nicht unter den gegebenen Corona-Restriktionen. Sobald sich die Lage beruhigt hat und die Einschränkungen durch die Universität aufgehoben wurden, werden wir Sie aber gerne informieren. Sie können dann, nach vorheriger Absprache, einen persönlichen Eindruck von der Studiensammlung gewinnen. Zu finden ist sie in den Räumen des Arbeitsbereiches Ägyptologie in der Hegelstraße 59. Nochmals, Ulrike, vielen Dank!

UJ: Gern’ geschehen…

Schnitt: Jessica Kertmann/Tobias Konrad
Verwendete Musik von TimMoor auf Pixabay

 

Link zur Ägyptologischen Studiensammlung Mainz: https://www.sammlungen.uni-mainz.de/aegyptologische-studiensammlung/